Rödelheim. Erinnert sich noch jemand an die Geschichte, die ich neulich abends in der S-Bahn erlebt hatte? Die junge Frau, die mit einem Kind zugestiegen war und verzweifelt telefonierte, ihr sei im Supermarkt der Geldbeutel gestohlen worden und nun habe sie nicht zu essen für das Kind und überhaupt in einer fremden Stadt... Vor wenigen Tagen, morgens 11 Uhr. Ich sehe die junge Frau am Bahnsteig in Richtung Innenstadt. Möchte herausfinden, ob es wirklich nur Masche ist, oder ob sie wirklich Hilfe braucht.
Sie steigt ein, ich folge ihr, setze mich in ihre Nähe. Wieder hat sie ein Telefon am Ohr. Und die Leier wiederholt sich. Erst seit wenigen Tagen in der Stadt und das ganze Geld weg, von dem sie einen Wäscheständer kaufen wollte (seinerzeit waren es Gardinen). Und nun habe sie nichts mehr für das Kind. Auf dem Amt braucht sie einen Personalausweis... Hört man genauer hin, fallen Ungereimtheiten auf. Sie spricht die ganze Zeit von Überbrückung, bis das Gehalt und die Abfindung auf dem Konto sein sollen. Kurz darauf berichtigt sie sich, ne, kein Gehalt, nur Abfindung. Lagsam kommen mir auch Zweifel, ob am anderen Ende der Leitung überhaupt jemand zuhört. Denn die Sätze sind so konstruiert, dass notwendige Nebeninfos von ihr gegeben werden - damit die Umstehenden den vermeintlichen Zusammenhang verstehen. Wenn sie stockt, benutzt sie Fragen, die sie wiederholt, um mit dem Lamento fortfahren zu können. Und auch das tränenerstickte klingt künstlich, von Tränen keine Spur. Alles in allem recht dubios das ganze.
Von den Umsitzenden zuckt niemand. Am Hauptbahnhof steige ich aus.
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