Montag, 28. September 2015

Mobilfunk: Wie 1&1 den Begriff Kulanz neu definiert

Foto: Screenshot www.1und1.de
Rödelheim. Auf der Suche nach einem neuen Anbieter für den nächsten Mobilfunkvertrag? Ein Tipp: Nicht nur auf den Preis schauen, sondern auch einen Blick auf den Kundenservice richten. Stichwort: Sonderkündigung und Kulanz.
Bei 1&1 schloss ich im Mai 2014 einen zweijährigen Mobilfunkvertrag ab. 14,99 Euro im Monate für das Netz, 10 Euro für das Telefon, ein HTC One. Mitte 2015 zeichnete sich ab, dass ich Anfang 2016 ins Ausland ziehen muss, ich informierte 1&1, fragte nach der Möglichkeit zur Sonderkündigung - immerhin handelt es sich um höhere Gewalt. Kein Problem, signalisierte man mir, ich solle nur einen Beweis liefern. Ich schickte eine Kopie des Arbeitsvertrags. Ein paar Tage später wurde die Sonderkündigung zum 21. Januar bestätigt - ein Vierteljahr vor dem eigentlichen Vertragsende am 4. Mai. Die Vertragsleistungen würden dann eingestellt, teilte man mir mit.
Am 23. September erhielt ich einen auf 18. September datierten Brief von 1&1. Darin wurde ich aufgefordert das Telefon originalverpackt innerhalb von 10 Tagen zurückzuschicken. Andernfalls würde man mir 379,99 Euro für das Telefon einziehen, das ja nur durch den Vertrag verbilligt gewesen sei. Es taten sich Fragen auf:
Was ist mit den 200 Euro, die ich bis dato für das Telefon bezahlt hatte - würden die verrechnet? Und womit sollte ich von Oktober bis 21. Januar, dem neuen Vertragsende, telefonieren? Da der Brief darüber keinen Aufschluss gab, rief ich die Hotline an am 23. Sepbember, kurz nach 21 Uhr. Das Gespräch wurde von 1&1 aufgezeichnet, dauerte mit einigem hin - und herverbinden runde 25 Minuten.
Bezüglich des Telefons sagte man mir (Frau Wenz), dass keine Verrechnung stattfände. Der frühzeitige Vertragsaustritt handle sich ja um eine "Kulanzleistung" und sie wisse nicht, auf welche Modalitäten man sich geeinigt habe. Klartext: Kommt das Handy nicht pünktlich, sind 380 Euro futsch. Ob denn die bislang gezahlten 200 Euro (20 Monate a 10 Euro) verrechnet würden? Nein, war die Antwort. Heißt: 380 + 200 + 3 Monate Vertrag ohne Telefon a 25 Euro = 655 Euro, die ich aus "Kulanz" zu zahlen hätten.
Würde 1&1 die gezahlten Monate verrechnen (380 - 200 = 180 Euro) bliebe bei drei Monaten ohne Telefon und demnach ohne Nutzungsmöglichkeit des Vertrags, + 75 Euro, ein Minus von 255 Euro. Wohlgemerkt: behielte ich den Vertrag, würden 3 x 25 Euro fällig, also 75 Euro. Genau das habe ich dann auch gemacht: Die Kündigung storniert. Nun liegt das Telefon also 3 Monate stumm in der Schublade.
Kurz drauf erhielt ich eine Mail, die ziemlich zynisch klingt:
Kundennummer: 278262476
Vertrag: 48988277
Sehr geehrter Herr XXX,
schön, dass Sie Ihre Entscheidung überdacht haben und uns weiterhin als Kunde die Treue halten.
Ihre Kündigung für Ihren 1&1 Mobilfunk Vertrag 48988277 haben wir gerne zurückgenommen.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Berndt
--
1&1 Telecom GmbH
Elgendorfer Straße 57
56410 Montabaur
Hauptsitz Montabaur, Amtsgericht Montabaur, HRB 22331
Geschäftsführer: Markus Huhn, Alessandro Nava, Martin Witt

Kleine Anekdote am Rande: 1&1 wirbt ja damit, dass man nach Vertragsabschluss nach einem Tag lostelefonieren könne. Das mag aber nur für das Unternehmen gelten, das den Vertrag gleich scharfschaltet, obwohl die Lieferung und Freischaltung des Geräts rund eine Woche Zeit beanspruchte. Immerhin: Also ich dies monierte, schrieb man mir 6 Euro gut. Aber von sich aus wäre in Monatabaur darauf natürlich niemand gekommen.
 Aus Sicht der Wettbewerbsbehörde Bundesnetzagentur ist daran aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nichts zu rütteln. Den Sachverhalt kommentiert man dort so:

"Die Gestaltung der Leistungsangebote unterliegt grundsätzlich dem unternehmerischen Gestaltungsspielraum des Anbieters. Das betrifft insbesondere die Bereiche Produktgestaltung, Kündigung und Rechnungslegung. Der Anbieter veröffentlicht sein Leistungsangebot in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Leistungsbeschreibungen und Preislisten seines Unternehmens.

Der Abschluss, die Änderung oder die Kündigung von Verträgen beurteilen sich ausschließlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Dabei obliegt es allein den Zivilgerichten über die Rechtmäßigkeit getroffener vertraglicher Regelungen zu entscheiden."

Gut: Rechtlich mag das alles hinkommen, aber an einem guten, langfristigen Kundenkontakt scheint beim Westerwälder Unternehmen wenig Interesse. Weiß man jetzt.

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